Welche Voraussetzungen mussten geschaffen werden, um das Experiment durchführen zu können?
Die Stadtverwaltung plante die Schließung des gesamten Quartiers für den Autoverkehr. Also mussten Straßenumbaupläne sowie Verkehrslenkungspläne für den Verkehrsfluss rund ums Festival-Gebiet erarbeitet werden. Andere Behörden, insbesondere die staatliche Polizeibehörde, mussten gewonnen werden. Die dauerhaften Umbauarbeiten und die einmaligen Festivalaktivitäten erforderten ein beträchtliches Budget; dies aufzustellen und im städtischen Haushalt zu verankern, war eine andere wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung des Festivals.
Wie wirkte sich die Umsetzung der autofreien Stadt auf das praktische Leben der Bewohner aus?
Die 4.300 Bewohner parkten ihre 1.500 Autos auf speziellen Ersatzparkflächen außerhalb des Quartiers. Sie konnten ihr Auto in fünf bis zehn Minuten zu Fuß erreichen. Insofern war das Festival eine künstliche Inszenierung, vergleichbar einem Theaterstück: verlässt man das Theater, so steht man wieder im gewöhnlichen Leben. – Die Stadtverwaltung hatte allen Bürgern, die auf ihr Auto verzichteten, ein Fahrrad als Ersatzfahrzeug versprochen. Zur Beförderung älterer Menschen, Behinderter und von Geschäftsleuten mit ihren Waren hatte die Stadtverwaltung einen Shuttledienst mit kleinen Elektrofahrzeugen eingerichtet. Die EcoMobility-Ausstellung mit Testparcours ermöglichte es Bewohnern und Besuchern, innovative, per Pedal oder elektrisch angetriebene Fahrzeuge zu erproben. Wir machten aber auch die Beobachtung, dass die Bewohner es sehr genossen, auf den autofreien, ruhigen und sicheren Strassen zu Fuß zu gehen.
Im Rahmen des Projekts hatten die Bewohner Haenggung-gungs die Möglichkeit, einzelne Straßen ihres Viertels neu zu gestalten. Welche Konzepte haben sie vorgelegt, und welche Aspekte waren ihnen bei der Umgestaltung besonders wichtig?
Die Stadtverwaltung machte den Bewohnern Vorschläge für eine verkehrsberuhigte Umgestaltung des Quartiers und seiner Straßenräume. Entsprechend den Präferenzen der Bürger wurden Elektroleitungen in die Erde verlegt, Fahrbahnen verengt und Gehwege verbreitert, Bäume gepflanzt, Miniparks auf Restflächen angelegt. Die Gassen und Straßen wurden neu gepflastert. Künstler wurden dabei unterstützt, die Gassen der alten Stadt durch Wandmalereien zu verschönern. Und während des Festivals belebten die Kunst- und Kulturschaffenden die Straßen und Plätze mit Konzerten, Vorführungen und Straßentheater.
Wie war das Resümeé durch die Bewohner nach Beendigung des Festivals?
Die Mehrzahl der Bewohner wünschte sich eine Beibehaltung des autofreien Quartiers. Es gab Tränen, als die SUVs unerbittlich in die engen Gassen zurückrollten. Diese Menschen waren dankbar, dass sie eine andere Zukunft erleben durften und das vorher Unvorstellbare zur Realität werden sahen – wenn auch nur temporär. Die kleine Minderheit der Verdrießlichen und Projektgegner war froh, dass der Spuk vorbei war. In Runde-Tisch-Sitzungen äußerten die Bewohner mehrheitlich den Wunsch, dass das Quartier verkehrsberuhigt bleiben möge. Ihrer Bitte entsprechend richtete die Stadt eine flächendeckende Geschwindgkeitsbeschränkung auf 30 km/h sowie Parkbeschränkungen entlang der Hauptgeschäftsstraße ein.
Sie sind eben schon auf einen Punkt eingegangen. Wie bewerten Sie das Festival in Haenggung-dong in Bezug auf die Nachhaltigkeit? Wie sieht das Leben heute dort aus, rund 3 Jahre nach Durchführung des Experiments?
Das Gebiet ist verkehrsberuhigt und damit ein Vorbild für andere Quartiere der Stadt. Die Geschwindigkeitsbegrenzung hat den Durchgangsverkehr spürbar reduziert. Das Parkverbot entlang der Hauptgeschäftsstraße hat enorm zu einer Beruhigung beigetragen, denn die Leute können nicht mehr mit dem Auto direkt vor der Ladentür parken; kurze Wege werden nicht mehr mit dem Auto zurückgelegt. Die umgestalteten Hauptstraßen mit breiteren Gehwegen unter Bäumen machen das Flanieren attraktiv. Was geblieben ist, mag im internationalen Vergleich ein kleiner Schritt sein. In der Realität koreanischer Stradt- und Verkehrsplanung waren das Festival und sind seine Hinterlassenschaft ein sensationeller Schritt vorwärts.