Kaleidoskop

Eine fränkische Biersommelière aus Korea

Im Gespräch mit Jihee Lee
 

Jihee Lee bei der Bierverkostung

Kronach ist eine bayerische Kreisstadt mit rund 16.900 Einwohnern am Fuße des Frankenwaldes. Ihr Stadtbild ist geprägt von einer historischen Altstadt mit Sandstein- und Fachwerkhäusern, Stadtmauern, Toren und Gewölbekellern. Hier wohnt Jihee Lee, von Beruf Biersommelière.

Ihr erstes Bier habe ihr gar nicht zugesagt, sie habe den Geschmack als bitter und merkwürdig empfunden, erinnert sie sich. Erst nach und nach entwickelte sie eine Faszination für den gelben Getreidesaft mit der weißen Schaumkrone. Wahrscheinlich war sie durch ihren Wohnort in Oberfranken, das in Bayern auch „Bierfranken“ genannt wird, dazu prädestiniert: „Hier gibt es noch viele kleine Brauereien, die Biere mit hauchfeinen Aromen und eine große Anzahl von verschiedenen Sorten herstellen“, erzählt sie. Mit etwa 300 Brauereien verfügt die Region Franken über die weltweit höchste Brauereiendichte.

Jihee Lee fing irgendwann an, Bücher über das Bier zu lesen, und wenn sie Fachbegriffe über den Brauprozess nicht verstand, fragte sie bei Freunden nach. Es folgte ein zweimonatiges Praktikum in einer Brauerei und schließlich die Entscheidung, einen Biersommelierkurs, einen Kurs für Bierexperten, an der in Fachkreisen weltweit bekannten Bierakademie Doemens zu absolvieren. Nach bestandener Prüfung durfte sie sich offiziell Biersommelière nennen.

Diplomierte Biersommeliers und -sommelières besitzen „die Kompetenz, Bier als eines der ältesten Kulturgetränke umfassend zu beschreiben und es ihrer Umgebung zu vermitteln“, heißt es auf der Website des Verbands der Diplom-Biersommeliers. Geprüfte Bierexperten sind dazu befähigt, Kunden einer Brauerei, Einkäufer, Gäste und Gastronomen auf höchstem wissenschaftlichen Niveau bei der Bierauswahl zu beraten. Wer in diesem Beruf erfolgreich sein will, muss über einen hervorragend ausgebildeten Geruchs- und Geschmackssinn verfügen. Während des Lehrgangs werden fundierte Kenntnisse über die Techniken des Bierbrauens und die Bestandteile des Biers vermittelt. Um nicht „wie der Blinde von der Farbe zu reden“, gibt der Kurs auch praktische Einblicke in den Brauvorgang. Die Kursteilnehmer/innen erfahren mehr über die Braurohstoffe und das Einbrauen eines Sudes. Auch lernen sie das Erstellen einer „Bierkarte", die Beschreibungen des Aromas von Bieren, Informationen über ihre Herkunft und Empfehlungen für dazu passende Speisen enthält. Den wichtigsten Bestandteil des Lehrgangs bilden aber die täglichen Bierverkostungen. Denn „schließlich müssen die künftigen Biersommeliers nicht nur in der Lage sein, ein englisches Ale und ein obergäriges deutsches Bier sicher zu unterscheiden, sondern auch eine Vielzahl von Spezialbieren“, so Lee. Es werde immer wieder probiert, geschnuppert und betrachtet, das jeweilige Aroma beschrieben, Schaum und Farbe geprüft. Auch sogenannte „Bierfehler“ werden aufgespürt, d.h., es werden mögliche Fehlerquellen im Bier aufgedeckt. Wer bislang noch kein Bierfreak war, ist es spätestens nach Abschluss des Kurses.

Jihee Lee gibt einen Kurs

Ein bisschen seien die anderen Kursteilnehmer/innen schon überrascht gewesen, als sie am ersten Tag durch die Tür kam, berichtet Jihee Lee. Von den 18 Anwesenden waren vier weiblich, und als Frau aus Südkorea habe sie Aufmerksamkeit erregt – was dazu führte, dass sie Interviewanfragen von deutschen Radio- und Fernsehsendern sowie Zeitungen erhielt. Wenn Lee heute in ihrer Funktion als Biersommelière ein Seminar gibt, stößt sie manchmal auf Erstaunen, aber dank ihres Fachwissens kann sie anfängliche Vorurteile schnell abbauen und von sich überzeugen. Auch wird es von vielen Seminarteilnehmern und -teilnehmerinnen als Bereicherung empfunden, dass sie in ihren Vortrag Wissen über die Bierkultur in Korea einfließen lässt.

Vor zwölf Jahren kam Jihee Lee mit ihrem Mann nach Deutschland, der hier eine Stelle annahm, und vor acht Jahren zog sie nach Franken. Als sie irgendwann mit dem Biersommelierkurs begann, auch „um etwas Abwechslung in mein Leben zu bringen“, hätte die studierte Tourismusmanagerin niemals gedacht, was sich alles daraus für sie entwickeln könnte. Vor Kurzem wurde Lee, die sich derzeit im The Institute of Master of Beer auf den Mastertitel als Biersommelière vorbereitet, zur Korea-Repräsentantin der Doemens Academy gewählt. Ihr Online-Blog über deutsches Bier, den sie für ihre Landsleute schreibt, wird tausendfach angeklickt.

Fotos: Biersommelière Jihee Lee

In Korea fällt ihr Wissen auf fruchtbaren Boden, denn der Biermarkt in Korea wächst unaufhaltsam, und insbesondere das deutsche Bier genießt hohes Ansehen. Zum einen überzeugt der feine Geschmack und zum anderen die Tatsache, dass es nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut wird, welches von vielen Craft-Brauereien in anderen Ländern nicht eingehalten wird. „Neben Hopfen, Malz, Wasser und Hefe - den Zutaten aus dem Reinheitsgebot – verwenden diese für ihr Bier weitere Inhaltsstoffe wie Zucker, Honig, Sirup, Mais und andere natürliche Geschmacksverstärker. Dadurch erhalten sie gute Biere mit ausgezeichnetem Geschmack, jedoch sind das keine Biere im eigentlichen Sinne“, erklärt Lee. Trotz der Nachfrage nach Bier made in Germany ist es für deutsche Brauereien nicht ganz einfach, auf den koreanischen Markt vorzudringen. Denn in diesem Marktsegment tummeln sich bereits viele ausländische Produkte, und „ohne eine gute Marketingstrategie und ausgezeichnete Kontakte“ läuft nichts, sagt Lee. Auch können sich die langen Transportwege negativ auf den Biergeschmack auswirken. Deshalb empfiehlt die Biersommelière deutschen Importeuren, Kooperationen mit koreanischen Brauereien einzugehen, um „Biere vor Ort unter Lizenz nach Originalrezepten“ brauen zu lassen.

Inzwischen pendelt Lee beruflich zwischen Korea und Deutschland. Wie gelingt es der zweifachen Mutter, ihre Tätigkeit in den Familienalltag zu integrieren? Nachdem sie zwölf Jahre lang ausschließlich Hausfrau und Mutter war, mussten sich alle erst einmal an die neue Situation gewöhnen, aber „Gott sei Dank leben wir in einem Zeitalter der Vernetzung und Kommunikation“ freut sie sich. Wenn sie nicht auf Reisen ist, schafft sie es unter der Woche, ihre Arbeit dank Telefon, PC und Internetanschluss von zu Hause zu erledigen. Beim Schmökern in Literatur über Bier, Käse, Schokolade und Kochen bildet sie sich weiter, und vom eigenen Arbeitszimmer aus kann sie bequem Biere aus aller Welt verkosten und Beiträge für verschiedene Medien schreiben. Die Wochenenden bringt sie oft mit dem Besuch von Bierseminaren zu. Auch wenn sie weniger Zeit für ihre Töchter als früher hat, sind die beiden sehr stolz auf ihre Mutter.

Im April dieses Jahres wird Jihee Lee ihren ersten Biersommelierkurs in Korea geben. Ihr Traum ist es, „in Korea eine neue Bierkultur ins Leben zu rufen und dort dem Biertrinken eine neue Richtung zu geben“. Sie möchte das Bier als „Brücke zwischen den Welten verstanden sehen, wie Bier in der ganzen Welt und in fast allen Kulturen zu Hause ist.“

Und was trinkt Lee nach Feierabend, wenn sie abends auf dem Sofa sitzt, um sich von der Arbeit zu entspannen? „Soll ich ganz ehrlich sein? Am Abend trinke ich gern ein Glas Wein, denn Wein ist meine heimliche Leidenschaft“, verrät sie. „Im nächsten Leben habe ich vor, Weinsommlière zu werden!“
 

                                                                                                                                   Das Interview führte Gesine Stoyke
                                                                                                                                                   Redaktion „Kultur Korea“

Gesine Stoyke

Redaktion "Kultur Korea"

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