„Für mich ist die Kinderoper die Zukunft“
Interview mit Seongyun Kim, dem musikalischen Leiter der Kinderoper „Zoo der Kobolde“ (도깨비 동물원)

Foto: Koreanisches Kulturzentrum
Am 15. und 16. Oktober wurde im Koreanischen Kulturzentrum die Kinderoper „Zoo der Kobolde“ (도깨비 동물원, Dokkaebi Dongmulwon) präsentiert, in der es um die unterschiedlichsten tierischen Protagonisten geht: den „Tiger mit dem abgebrochenen Zahn“, der in eine - von Menschen achtlos weggeworfene - Colaflasche biss, weil er sie für Futter hielt, das „Steinnashorn“, das anstelle des Nashorns aus Afrika aufgestellt wurde, das im Zoo verstarb, das „denkende Schwein Sokrates“, das eine Diät macht, um nicht gefangen und aufgegessen zu werden, das „Gedichte schreibende Nilpferd“, das in den Himmel zu seiner verstorbenen Mutter fliegen möchte, der „zwitschernde Spatz und Papagei“, die sich zwar streiten, aber dann auch wieder vertragen und schließlich der „alte, weißhaarige Affe“, der den Zoo aufgrund seines hohen Alters verlassen will.
Die 2008 von der koreanischen Komponistin Eunhye Kim geschaffene Oper wurde nun sechs Jahre später von einem koreanischen Musikerensemble unter der Leitung von Seongyun Kim und der Regie von Mijung Ki erstmalig einem allgemeinen Publikum vorgestellt.
Wenige Tage vor der Uraufführung gab der musikalische Leiter Seongyun Kim ein Interview.
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Foto: privat
Seongyun Kim studierte in Korea Klavier (B.A.) und Opernkorrepetition (M.A.). Zurzeit belegt er an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin einen Bachelorstudiengang in Orchesterdirigieren. Sein besonderes Interesse gilt der Kinderoper.
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Sie stehen kurz vor der Uraufführung von „Zoo der Kobolde“. Wie sind Sie auf diese Oper aufmerksam geworden?
Im Jahr 2010, als ich noch in Korea lebte, war ich Jurymitglied eines Wettbewerbs des National Opera House. Bei dem Wettbewerb wurden fünf neue Opern vorgestellt, darunter auch „Zoo der Kobolde“ von Prof. Eunhye Kim. Damals war ich von der Oper begeistert und habe ihr die volle Punktzahl gegeben, da sie sowohl für Kinder als auch für Erwachsene geeignet und leicht verständlich ist.
Warum wurde diese koreanische Kinderoper noch nie öffentlich aufgeführt, außer in dem erwähnten Wettbewerb, bei dem es sich lediglich um eine Probeaufführung der Oper handelte?
Die Komponistin Eunhye Kim war mit ihrem Werk noch nicht zufrieden und hat sechs Jahre – von 2008 bis 2014 – darauf verwendet, um Verbesserungen und Änderungen daran vorzunehmen.
Was für ein Gefühl ist es für Sie, dass Sie die Oper nun erstmalig einem öffentlichen Publikum präsentieren dürfen?
Ich empfinde ein starkes Verantwortungsgefühl und wünsche mir, dass das Stück in Zukunft auch an anderen Theatern gespielt wird, egal ob in großen oder kleinen Häusern. Hier im Koreanischen Kulturzentrum hängt eine Kalligrafie mit dem Spruch: „음악은 사람을 기쁘게 하는 것인데“ (,Musik macht den Menschen glücklich'). Wenn man zusammenspielt, fühlt man Glück – das ist es, was die Musik ausmacht.
Welche Geschichte liegt „Zoo der Kobolde“ zugrunde?
In der Geschichte geht es um Tiere in einem Zoo, deren Probleme von einem Kobold mit Zauberstab gelöst werden. Als Vorlage diente ein im alten Stil geschriebenes modernes Märchen von Hyeon-u Kim, das vor etwa sieben Jahren in Korea veröffentlicht wurde. In meinem Heimatland gibt es ein besonderes Gefühl, das auf Koreanisch „Jeong“ (,Liebe‘, ,Zuneigung‘) heißt. Diese Emotion ist in die einzelnen Geschichten des Märchens eingeflossen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Kinderoper in Deutschland zu inszenieren?
Schon als ich „Zoo der Kobolde“ in Korea kennenlernte, habe ich gedacht, dass sich dieses Werk gut für eine Aufführung eignen würde. Zufällig habe ich hier in Berlin den koreanischen Sänger wiedergetroffen, der damals in der Oper die Rolle des Tigers gesungen hatte. Er stellte für mich den Kontakt zur Komponistin her und sie war angetan von meiner Idee, die Kinderoper in Deutschland vorzustellen. Daraufhin schickte sie mir die Noten.
Wie eng war die Zusammenarbeit mit der Komponistin?
Bei der Aufführung eines Werkes muss immer eine Triole aus Komponist, Dirigent und Regisseur bestehen. Diese ist unbedingt notwendig vor Probenbeginn. Ein professioneller Dirigent muss natürlich immer die Meinung des Komponisten/ der Komponistin berücksichtigen. Deshalb suche ich immer den engen Kontakt zu ihm/ ihr.
Wie haben Sie Ihr Gesangsensemble zusammengestellt?
Alle Sänger sind Freunde von mir, die ich hier in Deutschland kennengelernt habe. Die Besetzung hat sich im Laufe der Zeit ein wenig geändert. Eine Sängerin konnte beispielsweise nicht mehr mitwirken, da sie an einem Wettbewerb in Paris teilnehmen wollte. Da musste ich einen Ersatz für sie finden.
Die Texte der Kinderoper sind in koreanischer Sprache. Wie kann man sie Kindern in Deutschland vermitteln?
Das ist in der Tat ein großes Problem. Die Regisseurin hat sich viele Gedanken darüber gemacht, wie die Kinder den Inhalt der Oper verstehen können. Deswegen haben wir uns dazu entschieden, an einigen Stellen sowohl Deutsch als auch Koreanisch zu verwenden. Auch gibt es ein Programmheft in deutscher Sprache mit einer kurzen Zusammenfassung der Handlung.
Die Aufführung beginnt im Seminarraum des Kulturzentrums, wo die Kinder Masken bemalen, die später von den Kindern und auch kurz von den Sängern getragen werden. Dann kommen die Darsteller in den Raum und ahmen die Geräusche der einzelnen Tiere nach. Die Kinder folgen den Tierdarstellern bis zur Tür des Veranstaltungsraums, in dem die Oper aufgeführt wird. Bis zu diesem Zeitpunkt werden die Sprachen Koreanisch und Deutsch noch gemischt, aber ab Beginn der Aufführung genießen die Kinder einfach Bewegungen und Musik und verstehen intuitiv, worum es geht.
Was ist die Botschaft der Oper?
Das Oberthema dieser Inszenierung ist das Gesicht und welchen Einfluss es auf unser Leben haben kann. Je nachdem, welche Ziele Menschen verfolgen, können sich auch ihr Gesichtsausdruck und ihr Leben verändern. Die Masken, die die Kinder vor Beginn der Oper anfertigen, sind ein Symbol für diese unterschiedlichen Gesichtsausdrücke.
Die Oper hat auch ganz klar eine pädagogische Intention und vermittelt beispielsweise den Respekt gegenüber Älteren und dass man im Zoo keinen Müll in die Tiergehege werfen sollte, wie manche Kinder das tun.
Welche besonderen Punkte muss man berücksichtigen, wenn man eine Oper für Kinder aufführt?
Eine Kinderoper muss natürlich immer die Bedürfnisse von Kindern im Auge haben. Wenn bei ihnen für ein paar kurze Sekunden die Konzentration nachlässt, geschieht eine Katastrophe! Deshalb haben die Regisseurin und ich beschlossen, den gesamten Veranstaltungsraum in die Oper einzubeziehen und die Akteure zwischen den Kindern singen und tanzen zu lassen. Die kleinen Zuschauer sind auf diese Weise immer in die Performance einbezogen, und es kommt kein Moment der Langeweile auf.
Wie Sie bereits sagten, zeigen Kinder ihre Reaktion sehr spontan, wenn ihnen etwas nicht gefällt, während Erwachsene in der Regel höflicher sind. Sind Kinder die „schwierigeren“ Zuschauer?
Nein, ich finde Aufführungen für sie einfacher, denn sie sind sehr unschuldig und zeigen vorhersehbare Reaktionen. Schon ein komisches Geräusch genügt, um sie zum Lachen zu bringen. Erwachsene sind meist sehr ernst, und das langweilt mich. Für mich ist die Kinderoper die Zukunft.
Welche weiteren Projekte planen Sie?
Ich interessiere mich nichtsdestotrotz nicht nur für Kinder- sondern auch für Erwachsenenopern, aber das wichtigste Kriterium ist, dass sie kurz sind. Insbesondere möchte ich mich auf die Uraufführung solcher Opern konzentrieren und neuen Komponisten eine Chance geben – es gibt sehr viele begabte Musiker in der Welt. Mein nächstes Projekt ist die Inszenierung der Kinderoper „Das neue Rotkäppchen“ von Su-eun Lee - der zurzeit an der Musikhochschule in Weimar studiert - an der Deutschen Oper Berlin. Ich habe ein Kammermusikensemble aus koreanischen Musikern zusammengestellt und werde die Oper dirigieren.
Das Interview führte Gesine Stoyke
Redaktion Kultur Korea
„Zoo der Kobolde“ (도깨비 동물원)
Kim Eunhye, Komposition
Ki Mijung, Regie
Kim Seongyun, Musikalische Leitung