Kaleidoskop

„Ich persönlich mag die Nussknackerfigur“

Interview mit Hyesung Kwak, die im Erzgebirge eine Ausbildung zur Holzspielzeugmacherin absolviert
 

Hyesung Kwak in der Werkstatt (Fotos: privat)

Eigentlich haben Sie Kunst studiert. Warum haben Sie sich für eine Ausbildung als Holzspielzeugmacherin entschieden?

Es stimmt, dass ich in Korea ein Kunststudium abgeschlossen habe. Ich wollte aber noch etwas Neues lernen, etwas, das typisch deutsch ist, und auch zu meinen künstlerischen Interessen passt. Nachdem ich mich über verschiedene Ausbildungen informiert hatte, war mir schnell klar, dass der Beruf des Holzspielzeugmachers für mich genau das Richtige ist. Ich war sehr glücklich, als ich mit meiner Bewerbung die Firma Kuhnert, meinen jetzigen Ausbilder, überzeugen konnte.

An den Tagen meines Vorstellungsgesprächs und meines Praktikums im Betrieb waren mein Mann und mein 80-jähriger Schwiegervater anwesend. Sie haben mich sehr unterstützt. Danach ist mein Schwiegervater ein paar Male mit mir nach Sachsen gefahren, um eine kleine Wohnung in Seiffen und eine große Wohnung für die ganze Familie in der Nähe meines Ausbildungsbetriebs zu finden.

In einer deutschen Zeitung hieß es, dass Sie die erste Auszubildende aus Asien in einem Betrieb für erzgebirgische Holzkunst seien... .

Das stimmt nicht ganz: Vor etwa 10 Jahren hatte bereits eine Japanerin die Ausbildung zur Holzspielzeugmacherin in Seiffen absolviert. Aber es ist richtig, dass ich die erste Koreanerin bin und das es sehr ungewöhnlich ist, dass eine Asiatin diese seltene Ausbildung macht.

Wie wurden Sie in Ihrem Betrieb von Ihren Kollegen aufgenommen?

Ich glaube, dass meine Kollegen im Betrieb es sehr interessant finden, dass eine Koreanerin im Bereich des traditionellen deutschen Kunsthandwerks arbeitet. Die Atmosphäre ist sehr positiv, und ich arbeite sehr gerne dort. Alle sind sehr hilfsbereit.

Nur fällt es mir manchmal ein bisschen schwer, den erzgebirgischen Dialekt zu verstehen. Aber auch das ist kein Problem: Meine Kollegen wiederholen das Gesagte dann noch einmal.

Wie gefallen Ihnen Ihr neuer Wohnort im Erzgebirge und seine Menschen?

Ehrlich gesagt hatte ich in meinem vorherigen Wohnort Siegen Schwierigkeiten, Freunde zu finden. Aber ich bin sehr glücklich in Seiffen und in Rothenkirchen. An der Schule zum Holzspielzeugmacher bin ich die älteste ausländische Schülerin. Das Alter der anderen Schüler liegt bei etwa 18 Jahren bis Anfang 20. Trotzdem verstehen wir uns gut und treffen uns auch privat. Die Menschen im Erzgebirge machen auf mich einen herzlichen Eindruck.

In dem Haus in Seiffen, in dem ich im Moment wohne, gibt es einige Mieter,die bereits seit 30 bis 50 Jahren in Seiffen leben. Sie laden mich manchmal zum Kaffee ein. Wir unterhalten uns dann, und ich höre gern ihre alten Geschichten. Das ist wirklich interessant.

Erzgebirgische Weihnachtspyramide

Das Erzgebirge ist innerhalb Deutschlands für seine Tradition der Holzspielzeugkunst berühmt. Wie sind Sie erstmalig mit dem Holzspielzeug in Kontakt gekommen?

Nachdem ich meinen deutschen Mann 2012 in Korea geheiratet hatte, bin ich nach Deutschland ausgewandert. Damals gab es in der Wohnung meines Schwiegervaters in Siegen viel Holzkunst aus dem Erzgebirge: z.B. Räuchermännchen, eine fast 100-jährige Pyramide, die Heiligen Drei Könige als Räuchermännchen und bunte Engel, die meine verstorbene Schwiegermutter gesammelt hat. Sie hatte sogar verschiedene Bücher und einen 25 Jahre alten Zeitungsartikel über die erzgebirgische Holzkunst aufbewahrt. Ich konnte ihre große Liebe zu den Holzfiguren aus dem Erzgebirge spüren, obwohl es damals in Westdeutschland nicht so einfach war, die Produkte zu kaufen. In Korea und bei meiner ersten Deutschlandreise 2008 hatten mich die Figuren bereits fasziniert. Aber die ganze Bandbreite der Holzkunst habe ich erst bei meinem Schwiegervater und im Erzgebirge kennengelernt.

Was mögen Sie an der Erzgebirgskunst?

Ich persönlich mag die Nussknackerfigur, weil die Figur klassisch aussieht und mich an meine Kindheit erinnert. Ich habe als Kind gerne das Märchen Nussknacker gelesen.

Pyramiden gefallen mir auch sehr gut. Wenn sich die Pyramiden durch die Hitze der Kerzen zu drehen beginnen, ist das sehr romantisch. Zudem ist der Schwippbogen aus Holz wirklich schön. Fast alle Gegenstände der erzgebirgischen Holzkunst faszinieren mich.

Haben Sie aus der Perspektive einer koreanischen Künstlerin einen anderen Blick auf dieses alte deutsche Kunsthandwerk?

Um genau zu sein, habe ich in Korea koreanische Malerei studiert. Das ist eine traditionelle koreanische Kunst. An der Uni habe ich mit Tusche, asiatischen Farben und Pinseln gemalt. Dadurch habe ich die Kultur der asiatischen Kunst kennengelernt. Leider haben junge Koreaner zurzeit nur wenig Interesse an dieser Kunstform und denken, dass sie altmodisch und nicht zeitgemäß sei. Ich bin der Meinung, dass eigene Traditionen gepflegt werden sollten. Je schneller sich die Welt verändert, umso mehr sollte man das Interesse an den Traditionen bewahren.

Was das angeht, haben erzgebirgische Holzkunst und koreanische Malerei eine Gemeinsamkeit; deshalb bevorzuge ich alte traditionelle Kunst.

In der Werkstatt

Welches Kunsthandwerk hat in Korea einen ähnlichen Stellenwert wie die Erzgebirgskunst in Deutschland?

Das ist eine schwierige Frage, weil es verschiedene hochgeschätzte koreanische Kunsthandwerke gibt und ich nicht alle Bereiche kenne. Ein traditionelles koreanisches Kunsthandwerk ist mir eingefallen: Es heißt Najeon Chilgi (나전칠기). Dabei handelt es sich um eine traditionelle handwerkliche Technik - Holz wird zu Tellern, Tassen und Bestecken verarbeitet und mit Perlmuttintarsien versehen. Das Muster hat wegen des Perlmutts einen schönen Glanz und wirkt sehr künstlerisch. Eine koreanische Freundin von mir erlernt die Technik privat bei einem koreanischen Meister. Sie ist dafür in die koreanische Stadt Tongyeong in der Provinz Gyeongsangnam-do umgezogen, die für diese handwerkliche Technik berühmt ist.

Kommen auch viele Touristen aus Asien, um Holzspielzeugkunst zu erwerben?

Japanische Touristen habe ich in Seiffen häufig gesehen. Ich habe mitbekommen, dass erzgebirgische Holzkunst in Japan schon lange bekannt ist. Ich glaube, dass koreanische Touristen lieber große Städte wie Berlin oder Dresden besuchen.

Es gibt aber Koreaner, die Holzspielzeug aus dem Erzgebirge sammeln. Vielleicht gelingt es mir ja irgendwann, die Holzkunst und das Erzgebirge in Korea noch bekannter zu machen.

Die Erzgebirgskunst ist in Deutschland auch eng mit dem Weihnachtsfest verbunden. Welche Weihnachtstraditionen haben Sie in Deutschland kennengelernt, die Sie aus Korea nicht kennen?

Als ich im Jahr 2013 das erste Weihnachtsfest in Deutschland verbracht habe, war es für mich sehr interessant, dass Deutsche einen echten Tannenbaum aufstellen und dass Tannenbäume extra für das Fest gezüchtet werden. In Korea kauft man normalerweise einen kleinen künstlichen Weihnachtsbaum aus Plastik, der beim nächsten Weihnachtsfest wieder aufgestellt wird. Zu jedem Weihnachtsfest ist meine deutsche Familie damit beschäftigt, einen frischen, schönen Tannenbaum zu besorgen.

Auch den Weihnachtsmarkt habe ich in Deutschland neu kennengelernt. Deutsche backen leckere Plätzchen und Weihnachtsstollen und trinken Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt. Ich esse und trinke diese Dinge gerne, finde es aber schade, dass man sie gewöhnlich nur zur Weihnachtszeit genießt.

Erzgebirgisches Kunsthandwerk

Wie feiern Sie in Korea Weihnachten?

Viele Koreaner sind Christen. Wenn man die Katholiken und Protestanten zusammenzählt, übersteigt ihre Zahl sogar die der Buddhisten.

Als ich in Korea gelebt habe, habe ich mit meiner koreanischen Familie Weihnachten in der Kirche gefeiert, weil wir katholisch sind. Am 24. Dezember wird ein Theaterstück aufgeführt, das die Geburt Jesu darstellt, und in der Kirche wird ein Konzert gegeben. Es gibt auch eine Weihnachtsmesse am Abend, und man schmückt einen Weihnachtsbaum in der eigenen Wohnung. Koreanische Kinder warten mit Spannung darauf, dass der Santa (Koreaner nennen den Weihnachtsmann „Santa“) am Heiligen Abend den netten Kindern Geschenke bringt. Die Stadt und die Restaurants sind insbesondere voller junger Leute und Menschen, die nicht dem christlichen Glauben angehören, die die Weihnachtsatmosphäre genießen wollen.

Wo sehen Sie Ihre Heimat? In Korea oder Deutschland?

Natürlich haben die beiden Länder für mich eine ganz besondere Bedeutung. Deutschland ist mein zweites Heimatland. Südkorea ist mein Geburtsland, und meine ganze koreanische Familie und meine Freunde wohnen dort. In Deutschland habe ich meine eigene Familie gegründet und ein neues Leben begonnen. Beide Länder sind für mich mit schönen Erinnerungen und großer Liebe verbunden.

Was wünschen Sie sich für das neue Jahr?

Ich habe ein paar kleine Wünsche im neuen Jahr: In der nächsten Woche ziehen mein Mann und mein Schwiegervater endlich nach Sachsen um. Seit dem Sommer habe ich meinen Mann nur selten getroffen und meinen Schwiegervater überhaupt nicht gesehen. Wir haben den Kontakt nur über das Telefon gepflegt. Ich hoffe, dass meine Familie an dem neuen Ort glücklich sein wird.

Auch wünsche ich mir, dass sich mein Umgang mit dem Holz und meine handwerklichen Fähigkeiten noch weiter verbessern.

                                                                                                                           
                                                                                                                                      Das Interview führte Gesine Stoyke
                                                                                                                                                      Redaktion „Kultur Korea“



 

Hyesung Kwak

Hyesung Kwak (30) wohnt seit fast drei Jahren in Deutschland und absolviert zurzeit eine Ausbildung zur Holzspielzeugmacherin.

Gesine Stoyke

Redaktion "Kultur Korea"

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