Musik

„Korea ... hat sehr viel zu erzählen“

K-Pop als Medium der kulturellen Verständigung

Im Gespräch mit Yunjin Helena Kwon, Dozentin für K-Pop-Tanz
 

Hop Spot-Inhaber Esther & Bernd Chrischilles (Foto: Jamiela Akhardid, Hop Spot)

Das Hop Spot ist ein Tanzstudio in Köln, das in diesem Jahr sein 10-jähriges Bestehen feiert. Neben Lindy-Hop* und Swing bietet es seit 2015 verschiedenste Kurse für Kinder und Jugendliche wie kreativen Tanz, Ballett, Hip-Hop und Video-Dancing an. Neu im Angebot ist auch ein Kurs für K-Pop-Tanz**, für den Yunjin Helena Kwon als Dozentin verpflichtet werden konnte. Der erste Kontakt zwischen der Tanzlehrerin und dem Tanzstudio kam über das Internet zustande. Es kam zu einem persönlichen Treffen, bei dem es Frau Kwon schnell gelang, die Besitzer des Hop Spot von ihrem Konzept zu überzeugen.

Denn diese sind Neuerungen gegenüber seit jeher sehr aufgeschlossen: „Da wir Pioniere des Lindy-Hop waren, was NRW und Deutschland betraf, war uns dieses neue Angebot auf Anhieb sehr sympathisch“, erzählt Bernd Chrischilles, Inhaber der Schule. „Schnell war für uns alle klar, dass wir den K-Pop-Tanz in unser Kursangebot integrieren werden, sowohl im Jugendlichen- als auch im Erwachsenenbereich.“

Yunjin Helena Kwon (Foto: NETentertainment)

Mit der Verpflichtung von Yunjin Helena Kwon als Dozentin ist dem Hop Spot ein Glücksgriff gelungen, da diese bereits umfassende Erfahrungen in der K-Pop-Tanz-Szene in Korea sammeln konnte. Die 28-Jährige, die seit ihrem fünften Lebensjahr tanzt und seit eben diesem Zeitpunkt in Deutschland lebt, absolvierte eigentlich eine klassische Ausbildung in Ballett (Ballettakademie Düsseldorf) und zeitgenössischem Tanz (ArtEZ Institute of the Arts in Arnhem, Niederlande). Durch die Anregung ihrer Mutter – einer Tänzerin für traditionellen koreanischen Tanz – entwickelte sie die Idee, europäische und koreanische Genres zu mixen. 2009 flog sie in das Heimatland ihrer Eltern, um sich dort näher mit koreanischen Tanzstilen auseinanderzusetzen.

Dort lernte sie Streetdancer kennen, die ihr nicht nur den Straßen-, sondern auch den K-Pop-Tanz beibrachten. Was ihr besonders gut am K-Pop-Tanz gefällt? „Die attraktiven und energiegeladenen Bewegungen und die Tatsache, dass es sehr viel Gruppentanz gibt“, antwortet sie. Ein weiterer Pluspunkt: „Der K-Pop-Tanz kennt eigentlich keine Grenzen – wir benutzen Tanzbewegungen aller Genres, die zur Musik und zu den Texten passen.“ Es gibt einen weiteren Aspekt, der den K-Pop und seine tänzerische Ausdrucksform insbesondere auch in Europa populär macht, wie Helena Kwon glaubt: „Die koreanischen Sänger sehen sehr gut aus, gerade auch die Männer. Sie sind oft sehr feminin, geschminkt und schlank. Deshalb interessieren sich in erster Linie Frauen für sie, hören K-Pop-Lieder und sehen sich die Choreografien an.“ Bernd Chrischilles sieht als Besonderheiten des K-Pop „die Songs, zu denen getanzt wird, und das asiatische Flair, das für uns Europäer mitschwingt.“ In seinen Augen machen die Einflüsse des traditionellen koreanischen Tanzes den K-Pop interessant und sind „auf längere Sicht das deutlichste Unterscheidungsmerkmal zu anderen Tänzen.“

In Korea schloss sich Helena einer Gruppe namens „Seoul Train Dance Team“ an und trat drei Jahre lang als Background-Tänzerin für K-Pop-Stars auf. Der Vertrag, in dessen Rahmen sie arbeitete, sah praktisch keine finanzielle Vergütung vor, dafür aber eine umfassende kostenlose Ausbildung. „Studios, Trainer, Proben und Unterricht wurden allesamt umsonst zur Verfügung gestellt“, berichtet sie. Wer nicht lediglich Background-Tänzer/in ist, sondern als vollwertiges Mitglied einer Popgruppe debütiert und zum Star aufsteigt, kann sehr gut verdienen, erzählt Helena Kwon. Für sie stand allerdings nicht der kommerzielle Aspekt, sondern ihre Liebe zum Tanz im Vordergrund. Sie hatte das Glück, an einer Oberschule eine Stelle als Dozentin für zeitgenössischen Tanz und K-Pop-Tanz zu erhalten, sodass ihr Lebensunterhalt gesichert war.

Als Background-Tänzerin musste sie „nur“ acht bis zehn Stunden pro Tag trainieren, da sich ihre Ausbildung auf den Tanzbereich beschränkte. Anders ist es bei denjenigen, die zum Star aufsteigen wollen, da ihr Repertoire auch Singen und Schauspielerei einschließt: Ein 15-16 stündiges Training pro Tag ist für sie Normalität. Doch selbst wer zur Berühmtheit aufsteigt, kann sich nicht auf seinen Erfolgen ausruhen: Eine Freundin von Helena Kwon, die nun in Korea Star-Status genießt, schläft nie mehr als drei Stunden pro Nacht und arbeitet auch an den Wochenenden. Schon ein halbstündiges Treffen mit Freunden wird zu einem seltenen Luxus für sie.

Foto: CompassionbandKOREA

Auf manche mag das anstrengende Leben eines K-Pop-Stars abschreckend wirken. Dennoch rangiert der Berufswunsch „Star“ oder „Talent“ (also Schauspieler/in oder Sänger/in) bei koreanischen Schülerinnen und Schülern der Grund- und Mittelschule laut Helena Kwon ganz klar an erster Stelle. Attraktiv ist ihrer Ansicht nach die Aussicht, nach Abschluss eines Trainee-Vertrags eine kostenlose Ausbildung in Tanz, Gesang, Schauspielerei, Fremdsprachen, Allgemeinbildung und Benimm zu erhalten, auch wenn das Einkommen gering ist. „In Korea ist es sehr wichtig, einen Hochschulabschluss zu haben. Da der Andrang bei den vorhandenen Studienplätzen sehr groß und die Aufnahme an einer Universität schwierig ist, sehen viele das Startraining als Alternative, um auch ohne Uniabschluss eine gute Ausbildung zu erhalten und vielleicht auch noch berühmt zu werden.“ Sie betont, dass die Freundin, die nun regelmäßig im Fernsehen auftritt, trotz ihres hektischen Alltags sehr glücklich mit ihrem Beruf sei.

Seit drei Monaten ist Yunjin Helena Kwon nun wieder in Deutschland. Freunde in Korea brachten sie auf die Idee, In Deutschland Talente für den K-Pop-Bereich auszubilden und nach Korea zu bringen, denn „im koreanischen Entertainmentbereich besteht eine große Nachfrage nach europäischen Sängern und Tänzern, die Interesse an Korea haben und dort gern ihr Debüt machen möchten“, wie Helena berichtet. Ihr Ziel ist es, Interessierten in Deutschland die grundlegenden Techniken des K-Pop-Tanzes beizubringen, damit sie an Auditions für Fernsehsendungen wie „Superstar K“ (südkoreanische Talentshow) teilnehmen können und so Zutritt zur Unterhaltungsbranche in Korea erhalten. Als Erfolgsbeispiel nennt sie eine Französin, die koreanische Texte singen und zu K-Pop-Liedern tanzen konnte und bei einer Audition in Europa von einer koreanischen Popgruppe entdeckt wurde. Sie fand Aufnahme als Mitglied einer Gruppe, die es zwar in Korea nicht unter die Top-Ten schaffte, aber immerhin ziemlich erfolgreich war.

Zurzeit ist Helena Kwon mit der Vorbereitung ihres ersten Workshops für K-Pop-Tanz beschäftigt, der Ende Mai im Hop Spot starten soll. Sie plant, in den ersten zwei, drei Monaten ausschließlich Choreografien sowie die Grundformen von Hip-Hop und traditionellem koreanischem Tanz zu unterrichten, die zwei der Grundlagen des K-Pop-Tanzes bilden. Wenn der Kurs erfolgreich ist, könnte sich Helena Kwon vorstellen, einen guten Freund hinzuziehen, der in Korea Sänger war, und Gesangsunterricht und eine Einführung in die koreanische Sprache anzubieten. Bei den Choreografien wird sie sich sicher an den gegenwärtigen Trends des K-Pop orientieren: „Letztes Jahr gab es mehr Electronic, House, Dubstep und dergleichen. Zurzeit werden die Texte wieder schöner, und die Tanzstile aus den 1990er Jahren kehren zurück. Es gibt mehr Balladen und ruhigere Songs.“

Foto: CompassionbandKOREA

An welche Teilnehmer/innen richtet sich das Kursangebot im Hop Spot? Bernd Chrischilles sieht als Zielgruppe für die K-Pop-Tanzkurse Mädchen und Frauen zwischen 15 und 22 Jahren. Und wie sieht es mit der Resonanz aus? „Die K-Pop-,Community‘ in Deutschland ist recht überschaubar und dadurch sehr direkt und persönlich“, berichtet er. „Deswegen sprechen sich neue Angebote schnell herum und werden mit viel Freude und Leidenschaft angenommen“. Helena Kwon erzählt, dass sie bereits viele Anfragen erhalten habe. In erster Linie hätten sich Interessenten aus Köln gemeldet, wo es eine große K-Pop-Fanbasis gibt. „Viele von ihnen tanzen bereits privat zu Hause oder im Garten. Aber die wollten Unterricht, weil sie noch nie welchen erhalten haben.“ Die Tänzerin hat festgestellt, dass K-Pop-Fans nicht nur Interesse an der Musik haben, sondern auch daran, wie sich die Sänger/innen schminken und kleiden. Daraus entwickelt sich dann oft eine weiterführende Neugier auf die koreanische Kultur im Allgemeinen.

Dass der K-Pop Korea in Deutschland bis zu einem gewissen Grad bekannter gemacht hat, kann Helena Kwon aus eigener Erfahrung bestätigen. Wenn sie Gleichaltrigen erzählt, dass sie aus Südkorea komme, fallen vielen zumindest der Rapper Psy und sein Hit „Gangnam-Style“ ein. Sie gibt aber zu, dass die meisten sonst wenig über Korea wüssten. Deshalb findet sie es eine gute Idee, das Land über den K-Pop vorzustellen, denn dieser wird kulturübergreifend verstanden und bedarf keiner umständlicher Erklärungen.

Bernd Chrischilles ist Korea dagegen seit langem ein Begriff, und auch dieser Bezug kommt über den Tanz zustande: „Die weltweit größte Community für den Lindy-Hop existiert in Seoul. Dort finden viele Camps und Workshops für diesen Tanzstil statt, zu denen Tänzerinnen und Tänzer aus der ganzen Welt anreisen. Bei Lindy-Hop-Championships in den USA und Europa sind koreanische Tänzer regelmäßig unter den Top-Ten-Platzierungen.“, erklärt er.

Welch positive Wirkung kulturelle Phänomene wie der K-Pop auf die Steigerung des nationalen Bekanntheitsgrads haben können, ist auch der koreanische Regierung bewusst. Seit Ende 2011 gibt es im Kulturministerium der Republik Korea eine eigene Abteilung für Populärkultur, die gezielt deren Verbreitung fördert.

Helena Kwon würde sich freuen, eine Art Brückenfunktion zwischen Korea und Deutschland zu übernehmen, um für ein besseres Verständnis zwischen den beiden Nationen zu werben. Deshalb ist es ihr auch so wichtig, ihre Beziehungen zu Vertretern der K-Pop-Branche in Korea aufrechtzuerhalten und in ihren Kursen ein positives, spannendes Bild des Landes zu vermitteln: „Es war meine Idee, K-Pop in Deutschland zu unterrichten, damit ich zeige: ,Korea ist ein schönes Land und hat sehr viel zu erzählen‘“, erklärt sie die Intention ihrer Arbeit. Ein Blick auf Helena Kwons bisherigen Lebenslauf lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass ihr gelingen wird, was immer sie sich vornimmt.

* US-amerikanischer Tanzstil der 1930er Jahre
** Sammelbegriff für koreanischsprachige Popmusik

Hop Spot Köln: 
Venloer Str. (Eingang Lessingstraße) 420-422
50825 Köln
http://www.hopspot.eu/
 

                                                                                                                                      Das Gespräch führte Gesine Stoyke
                                                                                                                                                      Redaktion ,,Kultur Korea"


 

Yunjin Helena Kwon

arbeitet als Tanzlehrerin in Köln. In Korea war sie Tänzerin, Dozentin und Performing Art Director der Firma NETentertainment. Zurzeit bereitet sie sich auf die Gründung einer ähnlichen Firma in Deutschland vor.


 

Gesine Stoyke

Redaktion "Kultur Korea"

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