Neugeburt in Korea durch Kim Keum Hwa
Wie ich zur Schamanin wurde

Andrea Kalff-Cordero am Chiemsee (Foto: privat)
Ich bin der Bezeichnung nach Schamanin. Früher war dies der Oberbegriff für Hebammen, Medizinmänner, Ratgeber und Berater. Der Schamanismus ist die Wurzel für unser Wissen in der Medizin, wie wir sie heute kennen. Leider vergessen dies viele Menschen und tun Schamanismus als „esoterischen Humbug“ ab. Einige Menschen, die mich konsultieren, waren zuvor bei Ärzten und oft auch bei Psychologen, die die Ursache ihres Leidens nicht finden konnten. Die Aufgabe des Schamanen ist es, eine Brücke zwischen Leben und Tod und auch zwischen Natur- und Schulmedizin zu bilden.
Meine erste Begegnung mit Frau Kim Keum Hwa, der weltbekannten koreanischen Meisterschamanin und meiner heutigen spirituellen Mutter, gleicht fast einem Märchen. Auch jetzt denke ich noch manchmal, dass alles ein Traum war und ich irgendwann wach werde.
2006 besuchte ein Freund von mir einen Schamanenkongress in Österreich und fragte mich, ob ich ihn begleiten wolle. Zu dem Zeitpunkt empfand ich eine derartige Veranstaltung als absurd. Eigentlich hatte ich keinerlei Interesse daran. Mein damaliger Mann und auch meine Tochter rieten mir zur Teilnahme, denn ich hätte schließlich nichts zu verlieren. Also begleitete ich meinen Bekannten - unter der Bedingung, dass ich an keinem Workshop teilnehmen und auch wenig Zeit mit den Schamanen verbringen würde. Bereits bei Ankunft am Mondsee, noch vor dem Aussteigen aus dem Auto, schwirrte eine Gruppe Koreaner in farbenprächtigen Kleidern an uns vorbei. Mein Freund wollte diesen sofort folgen. Ich war sehr zögerlich, da ich ja in keinen Workshop wollte.
Doch irgendetwas fesselte mich, und ich ging für ein paar Minuten mit in den Saal. Dort hatte ich meine erste Begegnung mit Frau Kim Keum Hwa. Als sie anfing, eine Rede zu halten, und ich ihre Stimme vernahm, fing mein Herz an zu rasen. Ich verließ sofort den Raum.
Später an diesem Abend, in der Pause der Eröffnungszeremonie des Schamanenkongresses am Mondsee, wurde ich von einem von Frau Kims Mitarbeitern nach meiner Telefonnummer gefragt. Sie wolle in Kontakt mit mir treten, wurde mir gesagt. Skeptisch verweigerte ich zunächst die Kontaktaufnahme und ließ mich schließlich doch auf ein Gespräch mit ihr ein, zu dem mich mein damaliger Mann begleitete. Frau Kim konnte uns Einzelheiten über unser Leben berichten, die mich erschütterten, denn diese entsprachen der Wahrheit und waren höchst persönlich; außer meinem Mann und mir konnte eigentlich niemand davon wissen. Frau Kim gab mir die strikte Anweisung, mich einem Initiationsritual bei ihr zu unterziehen, da ich, wie sie es nannte, an der „Schamanenkrankheit“ litt. Frau Kim erklärte mir, dass Personen, die dazu bestimmt sind, Schamane zu sein, und sogar ihre Familien bis zu ihrer Weihung zum Schamanen körperliche und seelische Beschwerden aufweisen, was als „Schamanenkrankheit“ bezeichnet wird.

Andrea Kalff-Cordero (Foto: privat)
Tief beeindruckt von diesem Treffen und mit der Bitte von Frau Kim, ich solle sie in Korea besuchen, hatte ich den Kongress verlassen und versucht, in mein altes Leben zurückzukehren. Das war nahezu unmöglich. Kurze Zeit später erkrankte ich an Krebs. Dass die Krebserkrankung von der „Schamanenkrankheit“ rührt, kann ich nicht zweifelsfrei beweisen. Allerdings war ich immer anders als alle anderen, schon als Kind. Natürlich befürchtete ich nun auch schwerwiegende Folgen für meine Familie. Verzweifelt nahm ich zunächst eine Auszeit von allem und fuhr für eine Woche ans Meer, saß am Strand und dachte nach. Als schließlich mein damaliger Mann mir riet, nach Korea zu fliegen, machte ich mich auf den Weg. 2006 wurde ich von der weltberühmten Kim Keum Hwa zur „Mudang“ (Schamanin, Brückenträgerin) geweiht, und seitdem ist mein Leben ein anderes. In Korea gibt es inzwischen sogar eine Ausstellung über meine Person, die von einem ehemaligen Krebskranken ins Leben gerufen wurde. Sie berichtet über mich, meine Tätigkeit und die Zusammenarbeit mit ihm.
Oft stelle ich mir die Frage, welche Kräfte am Werk waren, die mich auf diesen Weg, zu diesem Ort in Österreich und zu dem Zusammentreffen mit Kim Keum Hwa führten. Es gibt nur eine Erklärung: Es müssen spirituelle Kräfte und mein verstorbener Bruder Gerdi gewesen sein. Kräfte, die über uns wachen und uns verbinden, die uns den Weg im Leben zeigen. Es liegt an uns, ob wir ihn annehmen.
Anfangs hatte ich viel geweint nach meiner Initiation. Ich fühlte mich wie ein neugeborenes Baby, ausgesetzt in Deutschland. Keine Mutter weit und breit, niemand, der mich versteht, niemand, den ich fragen konnte, wie man als Mudang lebt. Wie man den Alltag gestaltet, wie man richtig betet, ohne andere Mudangs, ganz allein.
Doch Kim Keum Hwa und ihre Geister sprachen bei meinem Initiationsritual 2006 folgende Worte zu mir: „Andrea, dein Weg ist sehr einsam, geh raus hoch erhobenen Hauptes, und du wirst viele Menschen heilen. Bete viel.“

Andrea Kalff-Cordero (links) mit ihrer spirituellen Mutter Kim Keum Hwa (Foto: privat)
Ich versuchte so oft wie möglich, nach Korea zu fliegen, um Kim Keum Hwa zu besuchen, um bei Ritualen dabei zu sein und zu lernen. Korea und die damit verbundene Kultur waren mir anfangs sehr fremd, bis ich ins Schamanenhaus nach Ghangwando kam. Plötzlich fühlte ich mich zu Hause, wie nie zuvor in meinem Leben. Nichts war fremd. Unerklärlich für mich, da der Verstand wusste, dass ich hier noch nie gewesen war.
Eine mir völlig fremde Frau aus einem fremden Land hat mich zu neuem Leben erweckt, mich auf meine Fähigkeiten und meine Berufung aufmerksam gemacht, mit allen Konsequenzen. Ich sehne mich sehr, so viel mehr über die koreanische Kultur, über die Schamanen in Korea zu lernen. Gern würde ich ein koreanisches Mädchen in unsere Familie aufnehmen, das an der deutschen Kultur interessiert ist, damit wir wiederum mehr über die koreanische Kultur lernen und sie leben können (durch Kochen, Sprechen uvm.).
Meine Beziehung zu „Oma“ (Kim Keum Hwa) ist einzigartig, wir sind uns wohl schon in einem früheren Leben begegnet. Es bedarf zwischen uns nicht vieler Worte. Sie war immer bei mir, ist immer bei mir und wird es immer sein. Sie erscheint mir oft nachts, steht einfach an meinem Bett und streichelt mir über den Kopf. Diese Verbindung besteht über den Tod hinaus.
Nach meiner Initiation zur Schamanin hat mich meine spirituelle Mutter Kim Keum Hwa stets begleitet, damit ich in meiner Berufung als Schamanin wachsen konnte. Sie war immer unterstützend für mich da, wenn auch manchmal streng und rätselhaft für mich. Sie hat mich in Hawaii und Deutschland mehrmals besucht, um zusammen kranke Menschen zu heilen. Wir arbeiten sehr eng zusammen. Manchmal gibt es sprachliche und kulturelle Hürden, die wir durchaus meistern. Unsere starke Herzensverbindung trägt uns durch die Welt, auf unseren Reisen und in unserer Berufung. Berufung zu leben ist nicht immer einfach, es gibt hin und wieder auch Tage, an denen ich einfach nur gerne Mutter wäre, doch in solchen Momenten fühle ich ganz stark die Präsenz von meiner „Oma“ Kim Keum Hwa.
Durch weitere Lehre und Prüfungen führte sie mich immer stärker an die Selbständigkeit heran. Seit ein paar Jahren hat sie mir den Mut und die offizielle Erlaubnis gegeben, eigene Schüler zu weihen und auszubilden. Diese Verantwortung trage ich mit viel Respekt, Achtung und auch der nötigen Strenge, die dieser Weg erfordert. Der Weg kann für uns Schamanen auch schon einmal gefährlich sein. Wir sind die Brücke zwischen Leben und Tod.
Kim Keum Hwa beteuert immer wieder die Liebe zu mir und wie stolz sie auf mich ist. Wie kann ich ihr jemals für all dies danken? Sie ist neben meinen wundervollen fünf Töchtern die wertvollste und wichtigste Person in meinem Leben.