Film

„Right Now, Wrong Then“

Zum ersten Mal ist ein Film des koreanischen Kultregisseurs Hong Sangsoo in deutschen Kinos zu erleben

Im Gespräch mit Mikosch Horn, Mitbegründer des Filmverleihs Grandfilm

Der Film- und Theaterwissenschaftler Mikosch Horn ist im Filmhaus Nürnberg für die Programmauswahl mitverantwortlich. Schon seit Jahren besucht er regelmäßig internationale Filmfestivals, um dort in den Genuss von raren Filmen zu kommen, die kaum im regulären Kinoprogramm zu finden sind. Besonders begeisterte ihn der Film „Norte“ des philippinischen Regisseurs Lav Diaz, der 2013 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes ausgezeichnet wurde.

Die Suche nach einem Verleih in Deutschland, der sich zur Vermarktung dieses Films – der zwar auf Festivals gefeiert wird, aber dessen kommerzieller Erfolg eher ungewiss ist - bereiterklärt und die Erkenntnis, wie schwierig es ist, einen solchen Verleih zu finden, veranlassten Horn 2014 dazu, seinen eigenen Filmverleih Grandfilm zu gründen – zusammen mit dem Nachwuchsregisseur Stefan Butzmühlen und seinem Bruder Patrick Horn, ebenfalls Filmemacher.  

Szenen aus ,,Right Now Wrong Then" (Fotos: Grandfilm)

Zunächst war unklar, ob die drei Cineasten ihr gemeinsames Projekt nach „Norte“ fortsetzen, aber da das Weltkino ständig großartige Filme hervorbringt, die am normalen Kinogänger vorbeigehen, war immer die Motivation zum Weitermachen da. Es sei gerade diese Nichtsichtbarkeit, die es so schwer für viele Filme mache: Nur wer zum richtigen Zeitpunkt auf dem richtigen Festival sei, könne bestimmte Werke sehen – eine Situation, die die drei ändern wollten.

Der koreanische Regisseur Hong Sangsoo gilt als der koreanische Woody Allen. Seine intellektuellen Filme über neurotische (meist) männliche Helden, die sich in komplizierte Beziehungen verstricken und von Selbstzweifeln geplagt sind, gehören schon längst zum festen Repertoire internationaler Filmfestivals. Das Markenzeichen des Regisseurs sind szenische Wiederholungen, wobei er es versteht, durch kleine Variationen dem Geschehen eine völlig neue Wendung zu geben.

Ihn hatten die drei Filmenthusiasten schon lange im Visier und sich stets gewundert, dass seine Produktionen noch nie außerhalb von Retrospektiven oder Festivals in deutschen Kinos zu sehen waren. „Es sind anspruchsvolle Komödien, die das Leben, die Liebe, alltägliche Dinge verhandeln, und das auf unterhaltsame, spannende und zum Nachdenken anregende Art“, erklärt Mikosch Horn deren Faszination. So lag es nahe, dass Grandfilm sich entschied, Hong Sangsoos „Right Now, Wrong Then“ herauszubringen, der 2015 in Locarno mit dem Goldenen Leoparden ausgezeichnet wurde und auf ungewöhnliche Weise die Möglichkeit einer Liebesbeziehung zwischen einem verheirateten Filmregisseur und einer jungen Malerin auslotet.  


Während Hong Sangsoo in Deutschland nahezu unbekannt ist, hat er bei französischen Kinogängern Kultstatus und zieht dort regelmäßig um die 100.000 Zuschauer an. Horn sieht dies in der Tradition der Franzosen als cinephile Nation begründet, die insgesamt ein großes Interesse am asiatischen Film zeigten. Die Erwartungen an den deutschen Filmstart von „Right Now, Wrong Then“, der dank Grandfilm ab dem 8. Dezember in 15 Kinos startet, sind da schon bescheidener. Der Film- und Theaterwissenschaftler würde sich freuen, wenn zunächst einmal Zuschauerzahlen von 2000-3000 Personen erreicht würden. Später dürften es dann aber schon 5000-10.000 Zuschauer sein, hofft er, wenn die Zahl der Spielstätten, die gewillt sind, sich auf dieses Experiment einzulassen, auf 30-40 steigen könnte. Denn gerade kommunale Kinos oder solche, die ihr Programm sehr sorgfältig auswählen, spielen Filme nicht immer gleich vom Start, sondern oft erst Wochen später. Natürlich sei klar, dass sich das deutsche Interesse für den asiatischen Film nicht mit einem einzigen Schlag erzeugen lasse, aber es sei dennoch wichtig, Hongs Werk ins Kino zu bringen. Nur daraus könne etwas erwachsen.

Horn verweist darauf, dass die Themen, die Hong Sangsoo in seinen Filmen behandelt, auch für Zuschauer in Deutschland relevant sind. Zunächst gilt es aber, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen: „Natürlich würde ich mir wünschen, dass man vielen Menschen klarmachen kann, dass hier jemand ist, der auf unterhaltsame und intelligente Weise mit Beziehungen, mit der Liebe, mit den kleinen Handlungen im Leben umgeht, die dann für verschiedene Enden der Geschichte sorgen: Wie sich eine Beziehung entwickelt, wie sich Mann und Frau im Leben begegnen, ob dann am Ende eine Beziehung oder keine Beziehung steht, ob auf die Nacht, in der man sich kennengelernt hat, noch weitere Tage folgen“.  

Mikosch Horn könnte sich vorstellen, auch in Zukunft Filme von Hong Sangsoo in deutsche Spielstätten zu holen; gerade hat der Regisseur beim Toronto International Film Festival für „Yourself and Yours“ sehr gute Kritiken erhalten. Interessant findet er aber auch Werke von anderen koreanischen Filmemachern wie Park Chan-wook, der 2016 in Cannes mit „The Wailing“ vertreten war, oder von Kim Ki-duk.

Die Anzahl der Produktionen, die Grandfilm jedes Jahr in die deutschen Kinos bringen kann, ist beschränkt, aber es wird sicher noch das eine oder andere asiatische Epos darunter sein, denn das Spannende an diesen Werken seien gerade „die Erzähltraditionen und die Filmsprache, die ganz anders als die klassische europäische oder amerikanische sind“.  

Zunächst einmal erwartet das deutsche Publikum aber mit „Right Now, Wrong Then“ ein filmisches Highlight, das vielleicht künftig noch mehr Zuschauer dazu veranlassen wird, von den vertrauten Pfaden abzuweichen und sich auf cineastisches Neuland zu begeben. 

Das Interview führte Gesine Stoyke
Redaktion „Kultur Korea“ 


Filmstätten und Termine: 
Berlin - FSK-Kino ab 8.12.
Berlin - Sputnik Kino ab 8.12.
Braunschweig - Universum 7.12
München - Werkstattkino ab 8.12.
Bonner Kinemathek 15.12.
Karlsruhe - Kinemathek 14. - 17.12.
Köln - Filmpalette ab 22.12.
Leipzig - Schaubühne Lindenfels ab 29.12.
Nürnberg - Filmhaus ab 28.12.

Gesine Stoyke

Redaktion "Kultur Korea"

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